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Bei Kathy und Wayne in Crystal River

Besuch bei Freunden − Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg zu Kathy und Wayne. Sie wohnen einige Kilometer ausserhalb von Crystal River an einem Meeresarm entlang der sumpfigen Küste. Unterwegs können wir ein paar Vögel, unter anderem Silberreiher, beobachten.

Kathy und Wayne haben wir in Homer, Alaska, kennen gelernt. Sie waren zusammen mit Wayne’s Schwester Shirley und deren Mann Charly in ihrem Wohnmobil unterwegs. Zu sechst haben wir damals einen lustigen Abend verbracht und das Versprechen abgegeben, sie zu besuchen, falls wir es irgendwann nach Florida schaffen. Et voilà, da sind wir!

Bei unserer Ankunft ist Kathy alleine. Wayne und Steve, ein Neffe, helfen momentan auf einer Baustelle aus. Eine stürmische Begrüssung gibt’s dagegen von Kathy’s Hunden Bandit und Smokey. Wir schliessen die beiden sofort ins Herz. Sie werden uns in der nächsten Woche noch manches Mal unterhalten. Heute aber vergeht zumindest Smokey für kurze Zeit das Lachen. Dem jungen Malteser steht nämlich ein Besuch beim Tierarzt bevor, wo er geimpft wird. Lulu begleitet Kathy und Smokey in die Praxis. Dort zieht sie es allerdings vor im Wartezimmer zu warten. Denn zuschauen, wie dem armen Kerl eine Spritze gesetzt wird, will sie lieber nicht. Kaum zu Hause hat sich Smokey wieder erholt. Er und sein älterer „Bruder“ Bandit, ein Terrier, jagen sich gegenseitig durchs Wohnzimmer.

Den restlichen Tag verbringen wir damit Kathy und Wayne auf den neusten Stand unserer Reise zu bringen. Immerhin sind seit unserem ersten Treffen mehr als sieben Monate vergangen. Sie erzählen uns ihrerseits, was sie in der Zwischenzeit erlebt haben und zeigen uns Fotos von ihren Ferien in Alaska.

Am Abend betätigt sich Wayne als Grillmaster. Mit dem Baseballcap, dem stattlichen Bauch und der Grillzange in der Hand entspricht er ganz dem Bild eines Protoamerikaners. Die Burger schmecken ausgezeichnet. Wir sind uns einig, hier lässt es sich bestimmt ein paar Tage aushalten

 

Komische Kreaturen − Am nächsten Tag nehmen uns Kathy und Wayne mit in den Homosassa Springs Wildlife Park. Steve, der bei den beiden wohnt, bis er sein Leben nach der Trennung von seiner Frau neu geordnet hat, begleitet uns. Der Homosassa Springs Wildlifepark bietet Tieren, die in der Freiheit nicht überleben könnten, eine Heimat. Darunter auch verletzte oder verwaiste Manatees (Seekühe). Letztere werden nach Möglichkeit wieder ausgewildert. Manatees sind komische Kreaturen. Sie haben einen massigen Körper, zwei kurze Vorderflossen, eine Schwanzflosse und eine stumpfe Schnauze. Ihre graue Haut ist sehr dick und faltig. Rund um den Mundbereich besitzen sie zudem einige Borsten. Die Säugetiere können zwischen 2.5 und 4 m lang werden und mehrere hundert Kilo auf die Wage bringen.

Man unterscheidet zwei Arten von Manatees. Die Gabelschwanz-Seekühe (Dugong) und die Rundschwanz-Seekühe, welche heute nur noch in Westafrika, dem Amazonasgebiet, der nördlichen Küste von Südamerika und dem Golf von Mexiko vorkommen.

Manatees ernähren sich hauptsächlich von Algen und anderen Wasserpflanzen. Sie halten sich mit Vorliebe in verschieden salzigen bis süssen, meist sehr seichten Gewässern auf. Dies wird ihnen oft zum Verhängnis. Nicht selten kommen Manatees mit tiefen Schnittwunden im Homosassa Springs Wildlife Park an, nachdem sie eine Kollision mit einem Motorboot hatten. Hier im Wildpark leben die Manatees rund um eine natürliche Quelle, welche den Homosassa River speist. Das warme Quellwasser zieht zudem über 30 verschiedene Arten von Süss- und Salzwasserfischen an.

Im Unterwasserobservatorium kommen wir den Seekühen sehr nahe. Nur eine Scheibe trennt uns von ihnen. Erst hier können wir wirklich erfassen, wie gross diese Tiere sind. In der anschliessenden Fütterungsshow erfahren wir mehr über die Merkmale und Lebensweise der speziellen Zeitgenossen.

 

Happy like a hippo − Eine andere Tierpflegerin will den Zuschauern das Nilpferd näher bringen. Doch dieses hat heute keine Lust sich zu präsentieren. Mit halb geschlossenen Augen liegt es träge am Rand seines Wasserbeckens und lässt sich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen.

Auch bei der Lagune der Alligatoren ist nicht viel los. Reglos liegen die Reptilien am Strand und nehmen ein Sonnenbad. Etwas weiter entfernt geniessen auch die Schildkröten die Wärme indem sie Kopf und Beine der Sonne entgegenstrecken.

Während auf Steve das Reptilienhaus mit den darin präsentierten Schlangen die grösste Faszination ausübt, kann sich Lulu kaum an den verschiedenen Vogelarten satt sehen. Flamingos, Enten, Reiher, Pelikane, Kraniche, Eulen, Greifvögel und viele andere Vogelarten bevölkern die schön gestaltete Anlage. Nebst Vögeln, Seekühen und Reptilien gibt es im Wildpark aber auch Luchse, Pumas, Otter, Rehe und Bären zu sehen. Genug um darin mehrere Stunden zu verbringen.

 

Der Patriot − Auf dem Rückweg nach Crystal River halten wir bei einem Seafood Restaurant, welches direkt am Fluss gelegen ist. Man kann mit dem eigenen Boot vor der Terrasse anlegen und über den Bootssteg bequem ins Restaurant hineinspazieren. Da wir mit dem Auto unterwegs sind, wählen wir den normalen Eingang. Der Speisekarte nach zu urteilen, handelt es sich beim Besitzer um einen Patrioten. Die French Fries (so werden Pommes Frites in der USA üblicherweise genannt) hat er nämlich in Freedom Fries umbenannt. Grund ist, dass Frankreich den von den USA geführten Irak-Krieg öffentlich kritisierte, was wiederum den Amis sauer aufstiess.

 

Puppies − Wir verbringen mehr als eine Woche bei Kathy, Wayne und Steve in Crystal River und können in dieser Zeit endlich Wärme tanken. Nach Monaten fast ununterbrochener Kälte und Wind eine regelrechte Wohltat. Genau so haben wir uns Florida vorgestellt.

Zur guten Stimmung tragen aber auch unsere Gastgeber, insbesondere Wayne mit seinen treffenden Sprüche und die beiden Hunde bei. Bandit ist bereits 8 Jahre alt, Smokey dagegen erst einige Wochen. Diesen Vorsprung an Lebenserfahrung spielt Bandit gegenüber Smokey geschickt aus. Während Smokey seinen Anteil an Leckereien immer sofort auffrisst, wartet Bandit zu. Hat Smokey seinen «Teller» leer, wird er auf Bandits Anteil aufmerksam. Eifersüchtig versucht Smokey nun, auch an diesen Happen heranzukommen. Bandit lässt sich aber nicht austricksen. Er lässt Smokey immer nur so nahe an seinen «Schatz» heran, dass er sich und das Fressen im letzten Moment mit einem gekonnten Sprung aufs Sofa in Sicherheit bringen kann. Von oben schaut er mit einem Grinsen, so scheint es uns zumindest, auf den tobenden Smokey herab. Dieser versucht mit Anlauf den Sprung aufs Sofa zu schaffen, prallt aber meist mit voller Wucht am unteren Teil ab. Noch reicht die Kraft des jungen Hundes nicht, um die Sitzfläche zu erreichen. Am Tag vor unserer Abreise schafft er es zum ersten Mal. Von nun an wird Bandit keinen sicheren Zufluchtsort mehr haben. Die gegenseitige Jagd und Neckerei findet nun nicht mehr nur am Boden, sondern auch eine Etage höher statt. Das wird Wayne nicht besonders freuen. Denn ihm ist der Tumult, den die beiden Wildfänge veranstalten, manchmal schon jetzt zuviel. Besonders dann, wenn Smokey wieder einmal mit seinem quitschenden Plastikfisch im Maul spazieren geht. Kathy dagegen kann ihren «Puppies» nie böse sein.

 

Erfolglos aber belohnt − Am Samstag stehen wir früh auf. Bereits um 6 Uhr nehmen wir in einem kleinen Laden in der Nähe das Frühstück ein. Es gibt Getreidegrütze (grits), Toast, Würstchen, Speck, Eier und Bratkartoffeln. Gut gestärkt fahren wir danach zum Fischen. Da Katy und Wayne’s Haus direkt am Wasser liegt, können wir beim hauseigenen Steg ins Boot steigen und lostuckern.

Wir erleben, wie sich der Tag über den Sümpfen von Florida erhebt. Büsche und Palmen heben sich als schwarze Silhouette gegen die aufgehende Sonne ab und über dem Wasser schweben Nebelschwaden. Die mystische Stimmung entschädigt fürs frühe Aufstehen und den dürftigen Angelerfolg. Lulu holt als einzige zwei Krabben an Board, die wir aber wieder in die Freiheit entlassen. Das Boot läuft mehrmals auf Grund auf, kommt aber zum Glück immer wieder los. Smokey findet keinen Gefallen an unserem Ausflug. Er hockt für einmal ganz ruhig in der Ecke. Wahrscheinlich ist der Kleine noch nicht ganz seetauglich.

Auf dem Rückweg tauchen neben unserem Boot ein paar Delfine auf. Sie begleiten uns ein kurzes Stück und vollführen dabei ihre berühmten Luftsprünge. Leider verschwinden sie, kaum hat Lulu ihre Kamera einsatzbereit.

 

Doch noch ein fetter Fang − Wieder zu Hause gehen alle ihren eigenen Tätigkeiten nach. Wir telefonieren mit unseren Liebsten in der Schweiz und Steve will ein einfaches Holzbötchen, dass er in stundenlanger Handarbeit aufgemöbelt hat, wassern. Dummerweise entgleitet ihm das Boot. Ohne Steuermann an Board treibt es auf die andere Flussseite ab. Bei einem Rettungsversuch fällt Steve mitsamt Kleidern, Cowboyhut und -stiefeln ins Wasser. Leider verpasst Lulu auch hier ihren Einsatz als Fotografin. Während Steve fluchend seine Kleider auswindet, wirft Wanye in aller Ruhe die Angelrute aus und holt so das Boot wieder ans Ufer.

 

Alltag − Während den nächsten Tagen ist «Arbeit» angesagt. Lulu aktualisiert die Homepage, während Markus mit Hilfe von Steve und Wayne bei Nanuq einen kompletten Ölwechsel vornimmt. Kathy, Wayne und Steve bauen zudem das Erdgeschoss ihres Hauses aus, wo wir und Steve untergebracht sind. Sie möchten dort eine Küche einrichten, damit das Haus je nach Bedarf in zwei unabhängige Wohnungen unterteilt werden kann. Den Aufwand betreiben sie nicht für sich. Viel eher erhoffen sie sich dadurch, einen höheren Verkaufspreis zu erzielen. Wir finden es schade, dass sie das Haus verkaufen wollen. Es ist sehr schön und ruhig gelegen und die Temperaturen sind selbst im Winter angenehm warm. Daran wird zumindest Kathy an manchen Wintertagen in Tennessee, wo sie in Zukunft leben wollen, noch wehmütig zurückdenken. Immerhin werden dann ihre Strickkünste besonders gefragt sein. Kathy liebt das Stricken und hat dafür sogar eine Maschine. Damit stellt sie für uns im Nu zwei Paar Finken her. Wir müssen ihr nur sagen, welche Farben wir sie gerne hätten und ein paar Stunden später sind die Füsslinge parat.

Trotz warmer Füsse wird Lulu krank. Sie hütet für 1,5 Tage das Bett. Vicks Sirup gegen die Halsschmerzen, gutes Essen (1 x kocht Markus sogar ein Party-Filet) und die angenehme Atmosphäre bei unseren Gastgebern wirken jedoch Wunder. Schon bald ist Lulu wieder auf den Beinen und kann an den Aktivitäten teilnehmen. Wir besuchen einen Flohmarkt in der Stadt, wo man sogar Hunde erstehen kann. Einige Welpen werden gratis abgegeben und Lulu würde am liebsten einen mitnehmen. Für einen kleinen Smokey (Malteser) müsste sie hingegen $ 850 hinblättern.

Einmal überlegen wir uns, ob wir alle gemeinsam in die Universal Studios in Orlando fahren sollen. Nach einem Blick auf die Homepage verwerfen wir diese Idee wegen den horrenden Eintrittspreisen gleich wieder. Das Geld investieren wir lieber in zwei gemütliche Mittagessen bei einem Chinesen und einem Mexikaner. Ein anderes Mal bringt uns Wayne Burger von Checkers nach Hause. Die Burger sind sehr preiswert und sehr lecker. Sie schlagen die trockenen, ohne Salat, frischen Tomaten und Saucen servierten Burger von MacDonald’s um Welten.

Die Abende verbringen wir meist in gemütlicher Runde in Kathy und Wayne’s Wohnzimmer, wo wir plaudern, Fotos angucken oder TV schauen. So lernen wir mit der Zeit verschiedene Serien wie z.B. CSI oder Close to Home kennen. Lulu mag am liebsten die Realtiy TV-Show Survivor, wo ein paar Leute auf einer Insel «überleben» müssen.

Am 21. Februar 2006 übergibt Wayne Kathy ein verspätetes Valentinstag-Geschenk inklusive einer übergrossen Karte. In der Anfangsphase ihrer Beziehung liess sich Wayne weit weniger Zeit. Er fragte seine Kathy bereits nach zwei Monaten, ob sie ihn heiraten wolle. Wayne meint dazu in seiner typischen Art: «Ab einem gewissen Alter verschwendet man keine Zeit mehr». Und scheinbar war es die richtige Entscheidung. Die beiden machen einen sehr glücklichen Eindruck.

 

Abschied & Wiedersehen − Obwohl wir uns hier sehr wohl fühlen, müssen wir weiter. Bis zur Heimreise verbleibt nur noch ein Monat und wir haben noch einiges vor. Spätestens jetzt merken wir wie schnell die Zeit vergeht. Wir beschliessen den Süden Floridas mit den Everglades und Keys links liegen zu lassen. Zwar würde ein Besuch des südlichsten Zipfels des amerikanischen Festlandes zeitlich noch drinliegen, aber nur hinfahren, um es abzuhacken, wollen wir nicht. Da verbringen wir lieber mehr Zeit mit netten Menschen an unbekannteren Orten.

Zum Abschluss laden wir Kathy, Wayne und Steve nochmals in den Frühstücksladen ein. Danach heisst es definitiv Abschied zu nehmen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir die beiden lustigen Hunde Bandit und Smokey zurücklassen müssen. Zum Glück haben wir nicht lange Zeit, um darüber nachzudenken. Nur 125 km weiter südlich sind wir mit den nächsten Bekannten verabredet. Chris und Jodi sind momentan auf Besuch bei Jodi’s Mutter Neely in Lakeland, wo sie letzte Woche deren 85. Geburtstag gefeiert haben.